
Max Born schrieb in einem Brief an Albert Einstein am 4. März 1948, drei Jahre nach dem Abwurf der ersten Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki: „Wir sind da in eine üble Sache hineingestolpert, rechte Narren sind wir, und um die schöne Physik tut`s mir leid. Dazu hab´n wir nachgedacht, bloß um den Menschen zu helfen, sich von dieser schönen Erde schnell wegzubefördern!“[1]
Wie kaum ein anderes Zitat verdeutlichen diese Sätze, die mögliche Ambivalenz und Sorge physikalischer Tätigkeiten in problematischen Zeiten. Waren die Physiker im 2. Weltkrieg einfach so in militärische Forschung „hereingestolpert“? Was kann man angesichts solch einer Jahrhundertentdeckung mitten im Krieg tun? Wie reagieren und interagieren Physiker, wenn physikalische Erkenntnisse in Kriegszeiten eine solche sicherheitspolitische Relevanz bekommen? Welche Ressourcen stehen ihnen zu Verfügung und aufgrund welcher Motive und Interessen greifen sie darauf zurück?
Öffentlich sind die Atomwaffen zumeist das am deutlichsten wahrgenommene Ergebnis militärischer Grundlagenforschung, an dem zudem bedeutende Physiker involviert waren; Atomwaffen besitzen bis heute das größte katastrophale Vernichtungspotential und es existieren noch sehr viele davon, ca. 15.000 nukleare Sprengköpfe. Die Zusammenarbeit von Physikern und anderen Wissenschaftlern mit dem Militär in Bezug auf die Atomwaffen insbesondere in den westlichen Staaten sind inzwischen umfassend untersucht. Beispiele sind das US-amerikanische Manhattan Projekt sowie der deutsche Uranverein.[2] Im Kalten Krieg setzte sich diese Zusammenarbeit zwischen Militär und einigen Wissenschaftlern fort, aber viele Physiker engagierten sich national wie international auch für Rüstungskontrolle, Abrüstung und Frieden.[3]
„Physik, Militär, Frieden“ sind die drei Stichworte dieses Sammelbandes, der aus mehreren gemeinsamen Sitzungen des Fachverbandes Geschichte der Physik und der Arbeitsgemeinschaft Physik und Abrüstung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft während der Frühjahrstagung 2015 in Berlin hervorgegangen ist. „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“ (Mark Twain) und zweifellos kann man aus ihr lernen. Dies gilt insbesondere für die Interaktion von Wissenschaft mit anderen gesellschaftlichen Teilbereichen: Physik und Militär einerseits und Physik und zivilgesellschaftlichem Engagement andererseits.
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Vielen Dank an Götz Neuneck für die exzellente Zusammenarbeit und die DPG, die dieses Projekt durch ihre Unterstützung ermöglicht hat!
[1] Max Born, Hrsg., Albert Einstein - Max Born, Briefwechsel, 1916-1955 (München, 1991), 214.
[2] Beispiele sind: Richard Rhodes, The Making of the Atomic Bomb (New York, 1986); Mark Walker, Nazi Science : Myth, Truth, and the German Atomic Bomb (New York, 1995); Mark Walker, „Eine Waffenschmiede? Kernwaffen- und Reaktorforschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik“, in Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer. Die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus, hg. von Helmut Maier (Göttingen, 2007), 352–394; Mark Walker, Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe (Berlin, 1990); Jim Bagottt, The First War of Physics. The Secret History of the Atom Bomb 1939 -1949 (New York, 2010).
[3] Das herausragendste Beispiel bildet Joseph Rotblat. Siehe dazu: Reiner Braun, Robert Hinde, David Krieger, Harold Kroto, Sally Milne, eds. Joseph Rotblat – A Visionary of Peace, (Weinheim, 2007).